Patagonien ist bekannt für beeindruckende Berge und unglaublich raues Klima. Im Schatten von berühmten Bergen wie dem Cerro Torre und Cerro Chaltén (auch Fitzroy genannt) verbergen sich allerdings noch andere abgelegene Täler mit verborgenen Schätzen. Die Geschichten der Erstbesteiger Leo Viamonte und Seba de la Cruz, die in den 80er Jahren mit weiteren Einheimischen das Turbio IV-Tal in Nordpatagonien als erste besuchten und bekletterten, machten uns neugierig, diesen Teil Argentiniens zu erkunden.
Ende Januar starteten wir unsere Expedition: Zwei Tage Wandern und Reiten mit einigen tückischen Flussüberquerungen brachten uns zu dem Ort, an dem sich der Turbio II, III und IV treffen, "la horqueta". Etwas höher, tief im Regenwald, befindet sich die Hütte Don Ropo, eine rustikale Holzhütte, die von Osvaldo und Gabriel Rapoport gebaut wurde. Dies war unser Ausgangspunkt für den Zugang zum Turbio IV-Tal.
Von hier aus mussten wir die Lasten von den Pferden auf unsere eigenen Rücken verladen und einen weiteren Tag wandern, um die obere Hütte, Don Chule, zu erreichen. Auf kleinen Pfaden durch dichte Wälder und über zwei Seilbrücken erreichten wir diese urige und einladende Hütte, die von Leuten aus der lokalen Kletterszene unter anderem der Kletterlegende, Sebastian de la Cruz, gebaut wurde. Sie wurde zu unserem Basislager für den nächsten Monat. Besonders an den Tagen, an denen es stark regnete, waren wir dankbar, einen so luxuriösen Unterschlupf zu haben.
Wir nutzten die ersten Tage, um das Tal zu erkunden, verschiedene Felswände auszukundschaften, die wenigen bestehenden Routen ausfindig zu machen und einige Seillängen zu wiederholen, um ein Gefühl für den Granit zu bekommen. Dann beschlossen wir, unser Biwak an der Mariposa-Lagune einzurichten, um eine neue Route durch die bis dahin unbestiegene Wand "El Cohete" (die Rakete) erstzubegehen.
Sicht auf El Cohete vom Zustieg aus
Wir begannen mit der Erschließung der ersten Seillängen, aber starker Regen zwang uns, zur Hütte zurückzukehren und Schutz zu suchen. Wir hatten Glück, dass die Regenperioden nie länger als zwei Tage dauerten und von ein paar guten Tagen unterbrochen wurden, die wir sofort nutzten, um an unserer Route voranzukommen. Zwischendurch mussten wir absteigen um weitere Vorräte zu holen, die die Pferde zur Don Ropo-Hütte gebracht hatten. Bei dieser Gelegenheit kamen wir auch in den Genuss von Osvaldos fantastischen "Tortas Fritas" und einer beheizten Holzdusche, die er und Fede jedes Mal bei unserer Ankunft anheizten. Ihre einladende, warme Atmosphäre machte es uns jedes Mal schwer, wieder zu gehen.
Bei der Erstbegehung war es unser Ziel eine Route zu hinterlassen, die gerne wiederholt wird und dementsprechend motivierend und sicher ist. Das bedeutete eine Menge Reinigungsarbeit: Risse waren voller Pflanzen und tiefer Wurzeln, die Platten von Flechten bedeckt. Während wir unsere Linie weiter ins Unbekannte vorantrieben und Seillänge um Seillänge erstbegangen, arbeiteten wir ständig um die darunter liegenden Seillängen zu putzen, sodass sie angenehmes Klettern ermöglichten. Eine Menge harter Arbeit, die wir uns zu fünft geteilt haben. Während die Erschließung mit technischem Klettern verbunden war, boten die gereinigten Seillängen erstaunlich, abwechslungsreiche und anhaltende Freikletterei bis 7b+. Die Qualität des Gesteins in jeder einzelnen Seillänge, die Vielfalt der Verschneidungen, Risse und Platten, die wir vorfanden, war unglaublich gut.
Caro North klettert P12 + Caro & Belen auf dem Gipfel von P12
Der größte Teil der Route ist anhaltende Kletterei im Bereich 6c/7a, hauptsächlich selbst abzusichern. Wir haben nur dort Bohrhaken angebracht, wo es notwendig war.
600 m, aufgeteilt in 13 Seillängen (die meisten davon 50 m lang), führten uns zum Gipfel des Felspfeilers vom Cohete. Von dort aus konnten wir eine 650 m lange AD 4a-Linie weiterbegehen, die uns zu einem verschneiten Grat und dem ersten Schneegipfel führte.
Fay auf der Verlängerung der Route
Mehr als ein Monat harte Arbeit, Logistik und taktische Entscheidungen haben sich ausgezahlt und am Ende haben wir "Apollo 13, 7b+, 600m » erstbegangen. Die Route ist mit 10-mm-Bohrhaken abgesichert, zwei davon an jedem Stand, um das Abseilen zu ermöglichen. In einigen Seillängen haben wir Bohrhaken angebracht, um ausgesetzte Passagen zu vermeiden.
Der Name Apollo 13 entstand als Anspielung auf eine Rakete, die ins All gesendet wurde, wo deren Sauerstofftanks explodierten, die aber sicher zur Erde zurückkehren konnte. Dies beschreibt unsere Expedition, bei der es einige Explosionen gab, wir aber alle sicher zurückkehrten.
Mit dem Fertigstellen der Route war das Abenteuer noch nicht zu Ende. Zusätzlich zum Abstieg und Raustragen des ganzen Materials, was für das Ende einer Expeditionen üblich ist, stellte sich uns die Herausforderung, mit Packrafts den gesamten Fluss Rio Turbio bis nach Lago Puelo raus zu paddeln (Flusskategorie I). Das Navigieren durch diese unberührte Landschaft forderte unsere Fähigkeiten auf dem Wasser heraus, doch wir gelangten alle sicher zurück in die Zivilisation nach 5 Wochen fernab von allem.
Text: Caro North
Pictures: Julia Cassou