Nationalmannschaftsmitglied, viermalige WM-Teilnehmerin, Gewinnerin von Europacup-Rennen im Ultramarathon, Transalpine Gewinnerin, Walser Ultra-Gewinnerin, Patagonia- und Scarpa-Markenbotschafterin - all das hört sich nach einer herausragenden Sportlerin an. Doch als „Weltklasse-Athletin“, wie der beeindruckte Autor und Interviewpartner sie vorab ansprach, möchte sie keinesfalls bezeichnet werden. Das sei „schlichtweg vermessen“. Also gut, wir lassen es uns am besten erklären.
Es ist ein schöner Tag Anfang Mai, an dem wir mit Gitti daheim im Allgäu laufen gehen und einiges über ihren Versuch erfahren, die eigene Leidenschaft, mütterliche Pflichten und die Unterstützung des selbständigen Ehemanns in Einklang zu bringen.
Lediglich durch Schulsport und später Vereinsbasketball sportlich angefixt, entdeckte Gitti, geboren und aufgewachsen im Allgäu, vor etwa zwanzig Jahren das Laufen. Damals hauptsächlich auf der Straße versteht sich, Trailrunning war quasi noch unbekannt. Warum sie im Dorf bereits als Kind „Renn-Semmel“ genannt wurde, leuchtete ihr damals nicht ein, lässt sie aber heute schmunzeln.
Das erste läuferische Highlight war ein Halbmarathon. Zusammen mit ihrer Schwester und einer Freundin fuhr sie extra bis nach Dresden. „Weil uns da keiner kannte.“, erzählt sie lachend. Während des Laufs machte sie sich selbstständig und musste dann im Ziel nach eigenen Angaben “ziemlich lange warten“. Damit ging es los: Gittis Karriere als echte „Renn-Semmel“. Die ersten Marathon-Distanzen kamen, dann Triathlon - „Ausdauer und lange Tage waren mein Ding.“, sagt sie.
Ihren ersten Berührungspunkt mit tatsächlichem Trailrunning hatte sie 2006. Gitti erzählt: „Ein befreundeter Läufer kam an der Haustür vorbei und hat mir erzählt, morgen ginge in Oberstdorf ein Rennen los, einmal über die Alpen. Eine ganze Woche! Ich war fasziniert. Wie kann man das in einer Woche machen? Ich habe mir gesagt, nächstes Jahr bin ich dabei“.
2007 folgte der erste „Transalpine“ mit dem überraschenden Ergebnis einer Platzierung als zweitbestes Damenteam. In den Folgejahren ging es jedes Jahr erneut auf den „Transalpine“, damals noch das einzige große Saison-Highlight für sie. 2010 wurde sie wieder zweite, 2012 gewann sie mit ihrer Teampartnerin das berühmte Rennen über die Alpen, welches keine 20km von ihrer Haustür startet.
„Allgäu, Kempten war schon eine Hochburg fürs Ultralaufen, da war eine Szene, das war ganz normal, dass man solche Strecken läuft.“, erklärt sie. Somit stand 2012 dann auch für Gitti der erste Ultra an - dass sie den dann gleich gewinnt und nur einen Monat später den nächsten, das dürfte aber selbst für eine Allgäuerin weniger normal sein. „Ich habe oft in Schlussphasen noch Läuferinnen überholt, wo ich gedacht hatte, die sind noch weit weg.“ Die Erkenntnis in Wettkampfsituationen sich mehr abverlangen zu können als im Training, hat ihr scheinbar sehr geholfen. Es macht den Anschein, als hätte sie 2012 das Gefühl in sich verankert, sich lange Strecken gut einteilen zu können und nach hinten raus nicht einzubrechen. Ein mentaler Bonus, der ihr in zukünftigen Wettkämpfen sehr geholfen hat und worin sie bis heute ihre Stärke sieht.
Diesen Vorteil will sie auch in Zukunft nutzen, gerade auch weil sie im Vergleich zu den „echten“ Profis erheblich weniger Trainingszeit zur Verfügung hat. Als Mutter einer dreijährigen Tochter und im Familienbetrieb tätig, gehen viele der Trainingskilometer im Gerenne zwischen Büro, Kindergarten, Haushalt und eigener Fortbildung drauf.
„Womit ich in den letzten Jahren schon zu kämpfen hatte, war der Gedanke, dass andere so viel mehr trainieren konnten. Manchmal hat es sich unfair angefühlt, dass wir an der gleichen Startlinie stehen und uns messen, obwohl die meisten anderen vermutlich mehr als das Doppelte trainiert haben. Aber davon konnte ich mich zum Glück lösen! Ich habe mein Umfeld, mein Leben und damit müssen das Laufen und die Rennen in Einklang kommen. Und das ist gut so.“
Offenbar ist ihr das auch schon gut gelungen. Gitti schmiedet durchaus Pläne für die nächsten Jahre: Ultra-Rennen in Kombination mit Familienurlaub, das berufsbegleitende Studium abschließen und die gewonnenen betriebswirtschaftlichen Kenntnisse in die Firma ihres Mannes einfließen lassen. Ihre größte Challenge: alles unter einen Hut zu bringen, so, dass es für alle Beteiligten passt. Der Sehnsucht nach langen Trainingsläufen pragmatisch begegnen, trainieren, wenn es die Zeit hergibt, alles geben, wenn es drauf ankommt.
Unser Scarpa-Team besteht aus einer Menge erfahrener und junger Weltklasse-Athleten, die viel zu erzählen haben. Mit den Scarpa Stories nehmen wir uns Zeit, in Ruhe zuzuhören.
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